
Manchmal sitzt man vor einem fertigen Bausatz und denkt sich: „Der ist doch eigentlich ganz hübsch geworden“ – auch wenn man während des Zusammenbaus das Gegenteil vermutet hatte.
Genau so ging es mir mit diesem „Oldie“ aus den tiefen Revell-Gewölben. Obwohl … wollen wir an dieser Stelle mal nicht übertreiben! Der Bausatz stammt aus dem Jahr 1988 und ist damit jünger als ich. Deutlich jünger sogar.

Wer von uns beiden nun hinsichtlich der Qualität die Nase vorne hat, lasse ich jedoch mal dahingestellt sein. Das wird nämlich ein echtes Kopf-an-Kopf-Rennen: Wir sind beide brüllend hässlich, die Teile passen stellenweise nicht richtig zusammen und die Details sind auch irgendwie seltsam. Abgesehen davon waren wir beiden schon mal dicht davor, den Löffel abzugeben.
Als ich Ende der 1990er Jahre noch bei unserer Interessengemeinschaft „Helicom“ aktiv war (wir beschäftigten uns ausschließlich mit Hubschraubermodellen, sowohl den flugfähigen als auch den Standmodellen) bezeichneten wir die alten Sikorsky- und Westland-Hubschrauber mit Kolbenmotoren gerne als „Dinos“. Die Dinger hatten aber auch irgendetwas Dinosauriermäßiges an sich. Und irgendwann erinnerte ich mich daran, dass ich in meinen Kinderjahren sogar mehrfach Sikorsky-Hubschrauber zusammengebaut hatte, darunter beispielsweise den H-19 „Rescue“ mit Schwimmern, den es von Revell im Maßstab 1/48 gab. Oder die S-55 in „Sabena“-Lackierung (ich glaube, dieses Modell ist niemals fertig geworden … üble Geschichte).
So etwas wollte ich nun recht gerne noch einmal bauen. Und weil ich nun einmal gerne nostalgisch unterwegs bin, griff ich natürlich wieder zu Revell – und erwischte prompt diesen Westland Wessex HAS Mk.3. Kleiner Preis, schicke Lackierung – „Passt!“, dachte ich mir.
Tja, da war ich leider etwas vorschnell unterwegs. Und das wäre beinahe ordentlich schiefgegangen …
Der Bausatz:
Es handelt sich hier um den Westland Wessex HAS Mk.3 im Maßstab 1/48 von Revell, Bausatz Nr. 04898, bestehend aus ca. 120 Teilen. Das fertige Modell ist 31,4 cm lang und 35,6 cm breit. Leider hatte ich es damals versäumt, Fotos von den Teilen zu machen, daher muss heute eine Beschreibung reichen: Der Guss war eigentlich ziemlich gut und es gab nur wenig Überschuss oder Versatz. Revell hatte dem Bausatz sogar bereits versenkte Blechstöße spendiert. Diese Technik war Ende der 1980er allerdings noch nicht so ausgereift, wie es heute der Fall ist. Daher wirken die versenkten Gravuren allesamt ziemlich wuchtig und stellenweise nicht ganz so knackscharf, wie man es von aktuellen Modellen gewohnt ist.
Was mich ein wenig enttäuschte waren die Details – bzw. deren Fehlen. Alleine das Cockpit sowie die gesamte Innenausstattung kommen schon sehr spartanisch daher. Das Armaturenbrett ist nicht nennenswert ausgearbeitet und kann im Grunde nur mit einem Decal beklebt werden, um optisch noch einigermaßen etwas herzugeben. Und auch die Bedienelemente sind nur rudimentär vorhanden. Es gibt zwar zwei Sticks für die zyklische Blattverstellung, doch die Kollektivsticks fehlen komplett. Und auch sonst gibt es im Cockpit nicht viel, woran sich ein Auge festbeißen könnte.
Im Fracht-/Passagierabteil sieht es ähnlich trist aus. Der Motorraum ist nicht aufklappbar, die Details am Rotorkopf sind ebenfalls nicht sonderlich reichhaltig vorhanden.
Die Decals hingegen machten einen soliden Eindruck und ließen sogar die Darstellung zweier unterschiedlicher Lackierungen zu. Hierbei hatte ich mich allerdings bereits für die recht farbenfrohe Variante in Blau und Gelb entschieden.

Der Zusammenbau
Der Zusammenbau ging zunächst einmal desaströs in die Hose!
Ich hatte überlegt, das Modell durch den exzessiven Eigenbau von Details aufzuwerten. Als ich dann die ersten Teile zusammengebaut hatte, verflog der erste Enthusiasmus allerdings recht schnell. Stattdessen kehrte immer mehr Ernüchterung ein und ich verwarf alle Ideen wieder. Ich hätte nahezu das komplette Cockpit neu bauen müssen – das war mir dann doch etwas zu viel. Hinzu kam dann auch noch die ziemlich durchwachsene Passgenauigkeit, durch die es immer wieder zu Spalten oder übermäßigen Klebegraten kam, die sich einfach nicht vermeiden ließen, weil gerade größere Teile nicht zu 100% aufeinander passten. Egal, wie ich die Teile justierte – an irgendeiner Ecke passte es nicht.
So kam es, dass der „Dino“ irgendwann in meiner Schmuddelecke landete und dort vor sich hin gammelte. Ein paar Teile flogen noch auf meinem Basteltisch herum und fielen mir immer wieder mal in die Hände, doch das Modell selbst geriet weitgehend in Vergessenheit.
Wäre das so geblieben, dann wäre der Dino am Ende noch in der Mülltonne gelandet. Doch dann kam – ganz unverhofft und unprovoziert – die Rettung: Da ich auf Facebook in diversen Modellbaugruppen unterwegs bin, werden mir immer wieder einmal entsprechende Beiträge vorgeschlagen. Einer dieser Beiträge war mit einer schönen Bilderserie versehen. Da hatte jemand diesen Hubschrauber im Maßstab 1/72 gebaut, genau mit der Lackierung, mit der ich ihn auch hatte bauen wollen. Allerdings hatte der Modellbauer den Hubschrauber nicht fabrikneu dargestellt, sondern komplett heruntergekommen und verranzt, irgendwo am Rand eines Flugfeldes abgestellt und den Elementen preisgegeben. Lustigerweise basierte das Modell auf einem realen Foto.
Das Ganze beeindruckte mich so sehr, dass ich mir den Bausatz tatsächlich wieder vornahm. Nach einer kurzen Inspektion kam ich zu dem Schluss, dass hier noch einiges zu retten ist. Also gab ich mir ein wenig Mühe und fixte mit Spachtelmasse, Schleifpapier und einer Menge Geduld die ganzen Unsauberkeiten, die ich am Modell zurückgelassen hatte. Hier und dort musste ich noch ein wenig mit einigen störrischen Teilen kämpfen und hatte an einer Stelle auch ein paar Schwierigkeiten, die Bauanleitung richtig zu interpretieren, doch alles in allem bekam ich den Kollegen schließlich doch noch ziemlich gut zusammen.
Mit den Decals hatte ich hier und dort noch einige Späßchen, denn diese neigten ziemlich heftig zum Reißen. Dennoch gelang es mir, mit einem guten Schluck Weichmacher sogar die Zahlen am Bug nahezu perfekt anzubringen. Beim „Royal Navy“-Schriftzug am Heckausleger musste ich ein wenig nacharbeiten und eine Beschädigung mit etwas Farbe kaschieren. Hier und dort weigerten sich Decals auch energisch, an ihrem Platz zu bleiben und kapitulierten erst nach einer Intensivbehandlung mit Weichmacher, gefolgt von Klarlack. Im Anschluss rückte ich dem Heli dann mit einer Mischung aus Washing, Ölfarben und Weathering-Pigmenten zu Leibe, bis ich einen mir ausreichend erscheinenden Verschmutzungsgrad erreicht hatte.

Schockierend!
Nun sollte das Modell noch eine schöne Base bekommen. Dazu schnappte ich mir einen alten Bilderrahmen, lackierte diesen dunkelbraun, schmierte ordentlich verdünnten Weißleim drauf und brachte dann mein Begrasungsgerät in Stellung, das ich mir gerade frisch angeschafft hatte.
Nun arbeiten diese Begrasungsgeräte ja mit einer ziemlich hohen Spannung, ähnlich wie eine elektrische Fliegenklatsche. Deswegen sollte man darauf achten, welche Teile des Begrasungsgerätes bzw. des Dioramas man berührt, wenn man mit dem Teil herumhantiert. Ansonsten macht es „PENG!“
Wie man sich vorstellen kann, pengte es bei mir beinahe an einer Tour. Ich glaube, ich habe mir selbst mindestens fünf Dinger reingeballert. Ein Wunder, dass ich mich mit diesem Ding nicht endgültig elektrokutiert habe!
Doch ich will nicht meckern – der Effekt, den ich damit erzielt habe, ist gar nicht mal so schlecht. Ok, die „Pfütze“ im Vordergrund, die ich mithilfe von Epoxidharz improvisieren wollte, ist ziemlich daneben gegangen (Pfützen liegen in der Regel ja nicht auf dem Gras). Doch hier kann ich als Entschuldigung anführen, dass ich in den ganzen Jahrzehnten, in denen ich nun schon Modelle baue, nicht ein einziges Mal versucht hatte, eine Pfütze darzustellen. Und immerhin weiß ich nun, wie ich es nicht machen darf.

Mein Fazit:
Ganz klar: Der Bausatz ist nicht gerade eine Rakete. Ich hatte schon weitgehend angenehmere Bauerlebnisse – auch mit Bausätzen im gleichen Alter. Dennoch freue ich mich heute über den kleinen Wessex, der sich tatsächlich zu einem echten Schmuckstück und Eyecatcher in meiner Vitrine gemausert hat.
Für mich wieder einmal ein schönes Beispiel dafür, dass man mit einer guten Lackierung und ein wenig Weathering auch aus weniger gut detaillierten Bausätzen im Endeffekt ein schönes Modell machen kann, auch ohne zu teuren Detailsätzen greifen oder langwierig selbst Teile anfertigen zu müssen.
Würde ich den Burschen noch einmal bauen, falls er kaputtginge? Nein, wahrscheinlich nicht.
Würde ich den Bausatz empfehlen? Nein, eigentlich auch nicht. Dafür hatte ich einfach nicht genug Spaß damit, auch wenn mir das Ergebnis wirklich gefällt.
Aber wenn Ihr mal so richtig geschockt werden wollt … dann beschafft Euch ein Begrasungsgerät und stellt Euch ein bisschen blöd an. Das knallt wie Sau!