Eigentlich fies, einen Artikel mit dieser Überschrift zu beginnen. Tatsächlich heißt das Spiel „Motor Town – behind the wheel“. Aber Kacke nochmal, ich bin mir tatsächlich nicht so ganz sicher, womit ich es hier zu tun habe. Es geht um Autos. Zumindest hauptsächlich. Worum es sonst noch geht, weiß ich beim besten Willen noch nicht.
Was ich aber weiß: Das Ding hat was!

Wenn man auf der offiziellen Webseite des Spiels nachschaut, dann bekommt man recht schnell heraus, wer hinter der Produktionsfirma „P3 Games“ steckt: Ein einzelner Entwickler aus Süd-Korea, der davon träumte, sein eigenes Autorennspiel zu programmieren. Anfang der 2000er ging da wohl fürchterlich in die Hose, also ging der Entwickler zunächst einmal in die Lehre, bevor er 14 Jahre später noch einmal einen Anlauf wagte.
Auf Steam fliegt das Spiel ziemlich tief unter dem Radar, auch wenn die Bewertungen eigentlich sehr gut aussehen. Ich wäre vermutlich nicht darauf aufmerksam geworden, hätte mir der Youtube-Algorithmus nicht ein Let’s-Play-Video vorgeschlagen, das einigermaßen witzig daherkam. Immerhin reichte es, um meine Neugierde zu zünden. Also investierte ich die 20 Euro, die das Spiel momentan im Early Access kostet und dachte mir, dass ich ja durchaus eine Rückerstattung beantragen kann, falls sich das Ganze als totaler Guraz herausstellt.
Inzwischen ist die Rückgabefrist abgelaufen und ich habe tatsächlich nicht ein einziges Mal daran gedacht, mir mein Geld zurückzuholen!
Worum geht es also in diesem Spiel?

Das Ganze beginnt im Grunde wie ein typisches Rollenspiel: Man legt ein paar Parameter zur Spielwelt fest und entscheidet, ob man alleine oder mit anderen zusammen spielen will. Dabei gibt es sowohl die Option, den Zugang zum Spiel auf Steam-Freunde zu begrenzen als auch die Spielwelt für alle Spieler zu öffnen. Wer möchte, der kann seine Spielwelt auch komplett vernageln und nur mit NPCs interagieren. Danach erstellt man sich einen eigenen Charakter. Einen Charaktereditor mit ausschweifenden Designmöglichkeiten sucht man vergebens, stattdessen kann man sich eine vorgefertigte Spielfigur aussuchen. Diese bekommt dann noch einen betagten Muscle-Car unter den Hintern geschnallt (den ich übrigens ganz hübsch finde) und man wird auf die Spielwelt losgelassen.
Und dort kann man dann … nun, so ziemlich alles tun, was einem in den Sinn kommt, wenn man an ein Auto denkt.
Als ich mir in Vorbereitung auf diesen Artikel noch einmal kurz die Bewertungen und Rezensionen auf Steam anschaute, fiel mir gleich in der ersten Rezension eine schöne Formulierung auf. Dort bezeichnet jemand das Spiel im Grunde genommen als das, was ich damals als Kind hatte: Ein Korb voller Spielzeugautos, mit denen ich in meiner großen, imaginären Spielwelt tun konnte was immer ich auch wollte. Ich denke, das beschreibt meinen ersten Eindruck von „Motor Town – behind the wheel“ recht gut.

Im Gegensatz zum Spielen mit Matchboxautos, als ich noch Kind war, muss ich mir in den ersten Stunden von „Motor Town“ allerdings keine eigenen Geschichten ausdenken, um beschäftigt zu sein. Stattdessen lotst mich das Spiel mit einigen vorgegebenen Missionen durch eine Art Tutorial. Neben dem reinen Fahren der Autos lerne ich auf diese Weise verschiedene Fahrzeugtypen sowie deren unterschiedliche Einsatzzwecke kennen. So muss ich Anhalter befördern, einen Fahrgast mit dem Taxi an sein Ziel bringen, eine Warenlieferung mit einem Pritschenwagen erledigen, einen Bus nach Fahrplan fahren und einen Abschleppwagen benutzen, um ein Autowrack am Straßenrand zu bergen. All diese Jobs erledige ich mit Fahrzeugen, die ich gegen eine geringe Mietgebühr ausleihen kann. Sobald meine Spielfigur Level 10 erreicht hat, kann ich allerdings auch eigene Fahrzeuge kaufen und sogar eine eigene Firma gründen. Genau das ist der Punkt, zu dem ich bis jetzt vorgedrungen bin.

So gesehen werde ich jetzt erst nach und nach in die eigentliche Sandbox starten. Ob ich für meine Firma wohl auch NPC-Fahrer anheuern kann? Ich werde es sehen. Vielleicht muss ich mich auch selbst darum kümmern, Geld heranzuschaffen, damit ich mir einen Rennwagen zusammenbauen und tunen kann. Das Spiel bietet hierfür wohl recht umfangreiche Optionen. Ich habe die Teilehändler, die überall in der Spielwelt verstreut sind, schon einmal angeschaut, mich aber noch nicht näher mit den Möglichkeiten dort beschäftigt.
Generell wirkt das Ganze ein wenig wie „Elite: Dangerous“ auf mich. Eben nur ohne Raumschiffe. Und ohne Knarren. Und ohne Weltraum. Dafür eben mit Autos. Man startet auch irgendwo im Nirgendwo und nimmt auf’s Geratewohl irgendeinen Job an, um etwas Geld zu verdienen. Je mehr man auf dem Konto hat, desto mehr Möglichkeiten eröffnen sich einem dann nach und nach. Und irgendwann ist man total geflasht, weil man registriert, wie verdammt umfangreich das Spiel ist und wie viele Optionen es bietet.
Ob „Motor Town“ diesen Effekt auch haben wird, werde ich noch abwarten müssen. Aber alleine der Einstieg war schon erstaunlich.
Es liegt daran, dass dieses Spiel überhaupt keinen Druck aufbaut. Wenn man keinen Bock hat, sich zu stressen, dann lässt man es eben. Wenn man möchte, dann kann man mit dem Pritschenwagen im wilden Drift um die Kurven eiern (was in der Regel mit einem fulminanten Abflug in die Botanik endet), man kann aber auch ganz gelassen mit Tempomat über die Autobahn cruisen. Lustig: Bereits nach kürzester Zeit ertappte ich mich dabei, dass ich tatsächlich treu und brav die Verkehrsregeln beachtet habe. Sogar den Blinker habe ich gesetzt, wenn es an einen Spurwechsel oder an das Abbiegen ging. Ein Berufskraftfahrer würde sich vermutlich an den Kopf greifen und mich fragen, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe. Aber das ist eben der Effekt, den das Spiel auf mich hat.

Man kann übrigens auch das Fahrzeug verlassen und die Welt zu Fuß erkunden. Falls dabei nun jemand prompt an GTA denkt: Ja, da gibt es gewisse Parallelen. Allerdings ist „Motor Town“ hier weit weniger gewalttätig ausgelegt, denn es gibt weder Waffen noch ein Kampfsystem. Einzig ein paar merkwürdige „Geister“, die abseits der Ortschaften auf den Straßen herumlaufen und die man bedenkenlos überfahren kann. Es wird sogar mitgezählt, wie viele Geister man auf diese Weise „erlegt“ – wofür das gut ist, habe ich noch nicht herausgefunden.
Was sicher ist: Die Spielwelt bietet einiges an Platz und viele Orte, die es zu entdecken gibt. Die Karte ist ziemlich umfangreich und nach allem, was ich mitbekommen habe, gibt es wohl auch noch Bereiche, die erst nach und nach freigeschaltet werden. Eine Art GPS auf einer Minimap, die stets am unteren linken Bildrand eingeblendet ist, sorgt dafür, dass man nicht die Orientierung verliert.
Neben dem Erwerb und dem Tuning von Fahrzeugen oder dem Erledigen verschiedener Aufgaben kann man sein verdientes Geld übrigens auch in Wohnungen bzw. Häuser investieren. Man startet direkt mit einer eigenen Behausung, die allerdings noch sehr spartanisch eingerichtet ist. Diese kann man dann nach und nach mit Gegenständen aufwerten, die man bei verschiedenen Händlern in der Spielwelt erwerben kann.

Werfen wir nun einen Blick auf die Technik.
Die Grafik ist … nun, bestenfalls rudimentär. Es handelt sich um die gleiche untexturierte, grobe Polygongrafik, mit der schon „SurrounDead“ daherkommt. Ich glaube, ich hatte diesen Grafikstil einmal mit „Amiga auf Steroiden“ tituliert. Das ist also kein technisches Wunder, läuft dafür aber auch auf etwas betagteren oder nicht allzu leistungsstarken Rechnern einwandfrei. Abgesehen davon kann die Grafik stellenweise eine ganz eigene Ästhetik entfalten. Gerade die Regeneffekte oder Lichtstimmungen sehen gar nicht übel aus.
Sämtliche Charakteranimationen sind ziemlich mau. Manche Figuren bewegen sich „schwebend“ vorwärts oder rühren sich überhaupt nicht. Sie steigen auch nicht in einen Bus oder ein Taxi ein, sondern teleportieren einfach in das jeweilige Fahrzeug. Einige Fahrgäste stehen dann unvermittelt während der Fahrt auf und clippen plötzlich durch das Dach, was mich an echte Bug-Partys wie z. B. „Hidden & Dangerous“ erinnert. Die Animationen der eigenen Spielfigur hingegen wirken, als sei der Bursche auf Speed. Ansonsten ist das Spiel bis auf die anderen Fahrzeuge, die die Straßen bevölkern allerdings recht bewegungsarm. Einen größeren Wuselfaktor sucht man leider vergebens.

Umso schicker ist hingegen die Fahrphysik ausgefallen. Die Fahrzeuge reagieren allesamt nachvollziehbar auf Steuerbewegungen in Abhängigkeit mit der Geschwindigkeit und den Umweltbedingungen. So bin ich beispielsweise schon über die Schneegrenze geraten, als ich eine Lieferung in ein Gebirgsdorf durchführen wollte. Das stellte mich mit dem beladenen Fahrzeug dann vor ganz besondere Herausforderungen, denn das Vehikel wollte um’s Verrecken nicht mehr auf der Straße bleiben. Generell sollte man recht vorsichtig mit dem Gaspedal umgehen, denn man landet weitaus schneller im Graben oder an einem Baum, als es einem lieb ist. Das ist richtig gut gemacht und verleiht dem Spiel einen (Achtung, doofes Wortspiel!) ungeahnten Drive.
Und dann ist da noch die Sache mit der Geschwindigkeit. Auf den Inseln kann man abseits der ausgewiesenen Rennstrecken (ja, die gibt es) nämlich nicht einfach heizen wie eine gesengte Sau, sondern hat bitteschön auf die Geschwindigkeitsbegrenzungen zu achten. Ansonsten gerät man schneller in eine GTA-Situation, als einem lieb ist. Die Polizei ist nämlich allgegenwärtig und nimmt bei Regelverstößen sofort die Verfolgung auf. Wie ich schon herausfinden durfte, ist es allerdings nicht allzu schwierig, den Beamten vorerst zu entkommen. Vielleicht ändert sich das noch mit der Zeit – man wird sehen.
Ungebremstes Heizen mit hoher Drehzahl ist ohnehin nicht zu empfehlen, denn das Spiel bietet auch eine gewisse Techniksimulation. So gilt es beispielsweise, die Kühlwassertemperatur im Auge zu behalten und auf den Verschleiß der Reifen zu achten. Das Auto muss auch regelmäßig betankt werden, sonst steht man rasch am Straßenrand und benötigt selbst einen Abschleppdienst, anstatt mit einem Abschlepper durch die Gegend zu fahren.
Weitere GTA-Vibes verbreitet übrigens das Radio. Es gibt gleich mehrere Radiosender, die offenbar auf Internet-Radiostationen zugreifen. Ich habe bislang noch keine Möglichkeit gefunden, einen eigenen Sender einzufügen, aber vielleicht lässt sich hier noch etwas machen. Den vorhandenen Oldie-Sender kann ich jedenfalls empfehlen.

Mit dem Abschleppwagen erlebte ich übrigens die bislang kurioseste Situation im Spiel. Zwei Pannenfahrzeuge, die ich hätte abschleppen können, waren für mich überhaupt nicht zugänglich. Eines stand direkt neben einer Bushaltestelle, an der Fahrgäste warteten. Diese hätte ich mit dem Abschlepper zunächst überfahren müssen, um an das Pannenfahrzeug heranzukommen. Das zweite Auto war verunfallt und eine Böschung hinab gerutscht. Ich kam mit dem Abschlepper nicht ran, ohne selbst abzurutschen. Und als ich dann versuchte, das dritte Fahrzeug anzuhängen, hob mein Abschlepper ab wie ein Hubschrauber, flog einen Looping und landete auf dem Dach. Die Physikengine neigt also offenbar zu Aussetzern, doch das scheint dem Entwickler bekannt zu sein, denn es gibt die Möglichkeit, das Fahrzeug in solche Situationen wieder auf die Straße zu befördern. Ich fand’s jedenfalls saumäßig lustig und hab‘ mir den Arsch abgelacht.
Tja, was ist das also nun?
Ich hatte gehofft, während des Schreibens vielleicht eine Erleuchtung zu erleben, doch ich weiß es immer noch nicht. Es handelt sich einfach um eine Lebenssimulation, allerdings nicht um einen Walking-, sondern um einen Driving-Simulator. Einen tieferen Spielsinn konnte ich bislang nicht in „Motor Town“ entdecken. Stattdessen handelt es sich wohl um eine dieser typischen Sandboxen, die dem Spieler für eine gewisse Zeit mit einer Mohrrübe vor der Nase herumwedeln, wie es auch „Elite: Dangerous“ tut. Irgendwann hat man dann alle Autos und alle Häuser gekauft und vermutlich die Weltherrschaft übernommen. Und dann sitzt man da und fragt sich, weswegen man sich das alles noch antun soll.
Bis dahin wird es allerdings noch ein gewisser Weg sein, nehme ich mal an. Ob ich diesen Weg noch für längere Zeit intensiv weitergehen werde, lasse ich mal dahingestellt sein. Ich muss aber gestehen, dass mich das ruhig Cruisen durch die Spielwelt gerade nach einem anstrengenden Arbeitstag immer wieder fasziniert. Außerdem gibt es eine gewisse Genugtuung, wenn man wieder einmal einen Auftrag ausgeführt hat und das Portmonee ein bisschen dicker wird.
Kann ich das Ganze empfehlen?
Nein. Zumindest nicht uneingeschränkt. Schaut es Euch gut an, bevor Ihr zugreift, denn das Ding ist wirklich sehr speziell.